Jetzt, wo das Gesumme des anstehenden Wahlkampfes zu einem immer lauteren Brummen wird, kommen auch die Webauftritte der KandidatInnen wieder voll in Fahrt. Neben aufpolierten Imagevideos, in denen etwa Bundeskanzler Kern als der fußballspielende Familienvater von nebenan präsentiert wird oder der Website von Sebastian Kurz, auf der man sofort lässig geduzt wird, gibt es aber auch subtilere Online-Auftritte. Nämlich die mittels mehr oder weniger neutral wirkenden Websites, auf denen der Spin für die kommenden Themen festgelegt wird.
Die „ganz Großen“
Zu allererst wäre da die Seite mit der allergrößten Reichweite: Unzensuriert.at. Dass die der FPÖ nahe steht, ist mittlerweile wohl kein Geheimnis mehr. Die Methode funktioniert trotzdem: Als „demokratisch, kritisch, polemisch und selbstverständlich parteilich“ beschreibt die Seite selbst ihre Blattlinie. Behandelt werden meist Themen rund um Asylpolitik, Interviews mit führenden FPÖ-PolitikerInnen sind keine Seltenheit.
Seit Februar 2009 existiert die Seite, die es vom kleinen Blog zur Online-Quelle mit Reichweite gebracht hat. 3,6 Millionen Artikelzugriffe feierte die Plattform laut Eigenangabe bereits 2015. An die 56.500 Menschen haben das Medium zurzeit auf Facebook abonniert. “Wir gehören zu den ganz Großen der Online-Medienlandschaft in Österreich“, bilanzierte unzensuriert.at stolz.
Herausgeber und Medieninhaber ist seit 2012 die 1848 Medienvielfalt Verlags GmbH. An der angegebenen Adresse der GmbH hat übrigens auch die akademische Burschenschaft Gothia ihren Sitz. Diese hat viele FPÖ-Mitglieder, etwa die Mitarbeiter des ehemaligen dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, der wiederum Unzensuriert ins Leben gerufen hat. Seine Büromitarbeiter sind bei unzensuriert.at in leitenden Funktionen tätig. Sein damaliger Pressesprecher Alexander Höferl war zugleich Chefredakteur, sein Büroleiter Walter Asperl Geschäftsführer der 1848 Medienvielfalt Verlags GmbH. Auf Asperl ist auch die Domain von Unzensuriert registriert.
Seit April 2017 gibt es die Plattform mit dem blauen Adlerlogo auch in einer deutschen Ausgabe. Auch dort wird über Themen berichtet, die „von den Mainstream-Medien gar nicht oder nur ungenügend behandelt werden“. Außerdem wird das Angebot seit 2015 auch durch ein TV-Magazin ergänzt.
Einzig unklar ist, wer überhaupt die Redaktion des Mediums ausmacht. Auf der Seite selbst werden nämlich keine Angaben über AutorInnen der Artikel gemacht oder gar die Chefredaktion genannt. Medienanfragen zur Seite werden gerne mit Gegenangriffen beantwortet.
Kontrastprogramm
Weniger offensichtlich parteinahe, aber in der kurzen Zeit des Bestehens nicht unbedingt weniger erfolgreich ist kontrast-blog.at. Seit Juli 2016 produziert die Seite Artikel zu innenpolitischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themen und kurze Videos für Social Media. Im Präsidentschaftswahlkampf etwa agitierten sie gegen Norbert Hofer.
Die angesprochene Zielgruppe ist dabei politikinteressierter als die von unzensuriert.at. Deshalb wird sich auch mehr Mühe gegeben, unauffällig neutral zu wirken. Dabei ist der Kontrastblog alles, nur nicht das. Sieben der acht Redaktionsmitglieder tauchen ebenso als MitarbeiterInnen des SPÖ-Klubs auf, sie sind für „Presse, Recherche und Internet“ zuständig und unterrichten wie etwa Chefin vom Dienst Patricia Huber auch am Institut für Politikwissenschaft der Uni Wien. Unter den Artikeln selbst findet man den Hinweis auf die SPÖ erst, wenn man ganz bis unter den Kommentarbereich scrollt oder einen Blick ins Impressum wagt, wo schlicht steht: „Produziert wird dieser Blog von MitarbeiterInnen des SPÖ-Parlamentsklubs.“
Doch diese vorgebliche Neutralität scheint sich zu lohnen: 37.600 Gefällt mir-Angaben hat die Seite auf Facebook in den letzten elf Monaten gesammelt. Einige gut laufende Artikel auf der Website erreichen auf der Website laut Eigenangaben 70.000 Views.
Rotgefärbte Informationen
Und dann gibt es da noch politiknews.at. Auch diese Seite ist relativ jung und in ihrer Ausrichtung recht klar: FPÖ und ÖVP kommen bei politiknews.at überhaupt nicht gut weg. Kein Wunder, dass das der SPÖ gefällt. Man habe die Domain der Werbeagentur Chapter2 Medien GmbH zur Verfügung gestellt, weil man das Projekt gut finde, teilte die SPÖ dem Profil im April mit. Hinweis auf eine Zusammenarbeit mit der Partei fand man zu dem Zeitpunkt nicht, stellte News fest. Mittlerweile wurde das im Impressum ergänzt. „Politiknews ist ein Projekt der Chapter2 Medien GmbH in Kooperation mit der SPÖ. Die Inhalte müssen nicht dezidiert der Parteilinie entsprechen“, steht da jetzt.
Die Werbeagentur Chapter2 wird von Robert Neiger betrieben, mit seiner Agentur auch für die SPÖ-freundliche Zeitschrift Unser Wien Unsere Stadt zuständig ist. Früher war er Mitarbeiter des Echo Medienhauses, das der SPÖ gehörte. Heute ist er unter anderem Geschäftsführer der Magazinwerkstatt Medienproduktions GmbH. Deren frühere Geschäftsführer: Unter anderem der ehemalige Pressesprecher des damaligen Wohnbaurates Faymann, Gerd Millmann, und der SPÖ-Landtagsabgeordneten Gerhard Kubik. Alles in allem gibt das ein wenig parteiunabhängiges Bild.
Mit der Berichterstattung, die momentan vor allem gegen ÖVP-Vorsitzenden Sebastian Kurz agitiert und ein sozial gerechtes Österreich fordert, hat Politiknews bisher an die 2.300 Facebook-Likes erreicht.
Schwarze Verbindungen
Auch, wenn in der ÖVP-Blogosphäre noch beschauliche Ruhe herrscht, kleinere Blätter, die von nahestehenden Personen betreut werden, gibt es auch bei den Türkisschwarzen. Drei davon sind Christian Edelsbrunner, Markus Simmerstatter und Siegfried Windisch, die seit 2011 die PR-Agentur Tricom führen.
Simmerstatter betreute mit der Agentur den letzten Gemeinderatswahlkampf der ÖVP Graz für Bürgermeister Siegfried Nagl und trat auch selbst auf Listenplatz 48 für die ÖVP an. Davor war er zehn Jahre lang Pressesprecher der Raiffeisenbank Steiermark.
Auf Listenplatz 38, dafür bei der Landtagswahl 2015, stand auch sein Arbeitskollege Christian Edelsbrunner für die ÖVP auf der Kandidatenliste. Und auch Siegfried Windisch engagiert sich für die ÖVP: In der bei Graz gelegenen Ortschaft Gössendorf ist er Teil des Kernteams der ÖVP.
Kein Wunder also, dass Tricom Aufträge von vielen ÖVP-nahen Firmen und Institutionen erhalten hat. Betreut wurden unter anderem diese Zeitschriften: DITA Die Digitale Tageszeitung Graz, die mit parteifreundlicher Berichterstattung aufgefallen ist, Meine Bank (Kundenzeitung der Raiffeisen Steiermark), Plus (Kundenzeitung der Raiffeisen Mittleres Mürztal), bänka (Mitarbeiterzeitung der Raiffeisenlandesbank Steiermark und der Landeshypothekenbank Steiermark), Thema (Magazin der Wirtschaftskammer Steiermark), W! (Magazin des Wirtschaftsbundes Steiermark), EPU Guide (Guide der Steirischen Wirtschaft für Einpersonenunternehmen), Steirische Wirtschaft (Magazin der Wirtschaftskammer Steiermark) und Die Alternative (Magazin des Steirischen Cartellverbandes).
Für die ÖVP scheint sich das zu lohnen. Immerhin 11.500 Likes hat die im September 2015 gegründete DITA auf Facebook bereits gesammelt. Gelungen ist das mit einer Mischung aus Berichten über lokale Veranstaltungen, gewürzt mit überaus kritischer Berichterstattung über „Brunnenvergifter“ Peter Pilz, die „untergegangenen“ Neos und die SPÖ unter „Apparatschick“ Christian Kern, dafür umso freundlicheren Artikeln über das „junge Ausnahmetalent“ Sebastian Kurz. Unter den Artikeln ist jeweils keinE AutorIn genannt, im Impressum wird schlicht auf Tricom verwiesen.
Die Seiten fürs Grobe
Offen bleibt die Frage, wie erfolgreich die Seiten im kommenden Wahlkampf sein werden. Bisher werden sie fleißig von PolitikerInnen der beiden Parteien benutzt, um Themen zu setzen. Ein Artikel eines „unabhängigen“ Mediums wird mit einem Kommentar versehen gepostet und versucht, so die Debatte darüber zu eröffnen. Damit setzen sich dann auch andere Medien mit dem Thema auseinander, so die Hoffnung. Sie erfüllen also die Drecksarbeit, denn ob die Gerüchte im Text stimmen, ist dann nicht mehr so wichtig. Gerade bei Unzensuriert (Pariser Vorstädte würden brennen – siehe Faktencheck hier) und Politiknews (Mateschitz plane eine Parteiliste mit Kurz und Griss) kann man das schon beobachten.
Wenn auch dir eine Seite auffällt, die einseitig über politische Themen berichtet und nicht als offizielles Parteimedium deklariert ist, lass es uns wissen. Wir ergänzen unsere Recherche gerne um weitere Beispiele.