Ein großer Wahlkampf, der nur einen kleinen Kreis an Leuten interessiert: Die Studenten wählen wieder. Die politisch interessierten, zumindest. Bei den ÖH-Wahlen vom 18. bis 20. Mai können sie ihre Stimme für die Studien-, Uni- und bundesweite Hochschulvertretung abgeben. Und das bedeutet Wahlkampf.

Flyer werden ausgeteilt, Pickerl geklebt, Veranstaltungen abgehalten und Plakate aufgestellt. Und weil es studentisches Publikum ist, darf man auch provozieren. Die JUNOS Studierenden – also die Uni-Fraktion der “Jungen, liberalen NEOS” – setzen bei der Plakatgestaltung auf Politiker anderer Parteien.

Bundeskanzler Christian Kern argumentiert darauf für das “Leistungsprinzip” in Sachen Uni-Zugang, Alexander Van der Bellen wird mit “Ich war schon immer für Studiengebühren” zitiert. Mit ihrem Modell der “nachgelagerten Studiengebühren” – also Gebühren, die erst nach dem Abschluss zurückgezahlt werden – haben sie ihr Alleinstellungsmerkmal gefunden. Und Bundeskanzler wie Bundespräsident können da gut mit, argumentiert Spitzenkandidat Yannik Shetty bei einer Pressekonferenz.

Er wolle mit der Bundesregierung “anpacken” und nicht zwei Jahre Opposition sein, meint Shetty. Studiengebühren sieht er als gerechte Art, die Universitäten zu finanzieren und etwas zu bewegen. Und er kritisiert die aktuelle (von linken Parteien geführte) ÖH, dass sie das nicht tun würde. Ob das wirklich so leicht wird, die pinke Kernforderung nach Studiengebühren zusammen mit der Staatsspitze erfüllen, ist einen zweiten Blick wert.

Katharina Kainz, Yannik Shetty, Marta Baftiaj (v. l. n. r.)

Die Spitzenkandidaten der JUNOS beziehen sich auf Kern und Van der Bellen

Quelle: JUNOS Studierende | Alle Rechte vorbehalten

Ist Alexander Van der Bellen für Studiengebühren?

In einem Interview mit dem “Standard” im Jahr 2011 sagt der heutige Bundespräsident in der Tat, dass er sich Studiengebühren vorstellen kann. Allerdings könnte man den Kontext erwähnen. Im Interview sagt Van der Bellen:

“Ich finde, politisch und sachlich gesehen, müssen sich alle bewegen, um aus der jetzigen Pattsituation herauszukommen. Notwendige Voraussetzung ist, dass der Bund sein Engagement glaubhaft erhöht. Dann können wir auch über Studiengebühren reden. In finanzieller Hinsicht sind sie relativ uninteressant, in anderer Hinsicht vielleicht schon. (…) Man könnte das Stipendiensystem ausbauen und überdies spezifische Fonds an den Universitäten einrichten, wo die Studierenden mitbestimmen, was mit dem Geld gemacht wird.”

Gefolgt von der Nachfrage:

Standard: Studiengebühren wären für Sie also denkbar, wenn die Regierung die Unis besser dotiert?

Van der Bellen: Genau dann und nur dann.

Dass Van der Bellen sich Studiengebühren vorstellen kann, stimmt also, er knüpft sie allerdings an ein “Aber”. Wenn man noch weiter zurückgeht, sieht das nochmal anders aus. Auf der Seite “Mein Parlament”, auf der Bürger Abgeordneten Fragen stellen können, antwortet Van der Bellen in einem Posting vom 19. September 2008:

“Die Einführung der Zulassungsbeschränkungen war notwendig, weil die ÖVP WissenschaftsministerInnen der vergangenen Jahre nicht bereit waren den Universitäten und Fachhochschulen die notwendigen Mittel für den Ausbau der Infrastruktur und die Einstellung von zusätzlichem Lehrpersonal zur Verfügung zu stellen. Daher handelt es sich bei den Zulassungsprüfungen weniger um echte Eignungstests sondern um eine Art vorgezogene Knock-Out-Prüfung. Schließlich ist es nicht Ziel dieser Prüfungen die für ein bestimmtes Studium geeignetsten KandidatInnen zu finden, sondern nur ein Auswahlverfahren zu haben, welches den Zugang beschränkt.”

Hier kritisiert Van der Bellen sogar Zugangsbeschränkungen. (Wie auch in diesem zweiten Posting) Und ihre Einführung scheint er als kurzfristige Ausgleichsmaßnahme zu sehen, um den Geldmangel der Universitäten auszugleichen:

“Es ist unsere Forderung die Zugangsbeschränkungen schrittweise wieder abzuschaffen und gleichzeitig die Zahl der Studienplätze zu erhöhen und die Qualität der Ausbildung zu sichern. Wir sind überzeugt, dass durch eine entsprechende langfristige Bildungsberatung unter Berücksichtigung von Begabungen und Interessen der SchülerInnen an den höheren Schulen eine bessere Vorbereitung auf die Auswahl eines zukünftigen Studiums getroffen werden kann, als durch die bestehenden punktuellen Aufnahmetests.”

Das Zitat auf dem Plakat “Ich war schon immer für Studiengebühren” ist wiederum ohne Kontext angegeben, bezieht sich aber auf eine Ausgabe der “Salzburger Nachrichten” vom 24. März 2013. In dieser wird wiederum etwas weggelassen. Van der Bellen sagt nämlich:

“Ich war immer schon für Studiengebühren, konnte mich aber innerparteilich bei den Grüne nicht durchsetzen. Aber Studiengebühren allein machen das Kraut nicht fett für die Unis. Sie bräuchten viel mehr Geld.”

Van der Bellen sagt seine Bedingung also immer dazu, aber der Satz ist so gefallen. Die Unterstützung des Präsidenten ist aber gar nicht so wichtig, denn er müsste das Gesetz lediglich unterzeichnen. Und hat im Wahlkampf betont, nicht jedes Gesetz nach seinen eigenen politischen Vorstellungen zu prüfen. Es ist davon auszugehen, dass jedes verfassungskonforme Gesetz von ihm abgesegnet wird. Die JUNOS werden darauf eher keinen Einfluss haben.

Und Christian Kern?

Beim Bundeskanzler wiederum beziehen sich die JUNOS auf eine Aussage aus der “Plan A”-Grundsatzrede zu Jahresbeginn. In dieser präsentierte Kern einen umfassenden Katalog von Forderungen, die teilweise auch in das neue Arbeitsprogramm der Regierung durchgesetzt wurden. Bei der Rede (danke an Neuwal für das Transkript!) präsentierte er auch einen Punkt zu den Universitäten:

“Wenn wir diesen Sektor umbauen wollen, dann muss für uns klar sein und außer Streit stehen, dass wir keine sozialen Zugangsschranken für Universitäten wollen. Aber wir müssen genauso akzeptieren, dass das Leistungsprinzip auch beim Zugang zu unseren Unis etwas ist, was mit sozialdemokratischen Wertevorstellungen zusammenpasst.”

 

Auch im aktualisierten Programm bis 2018 bekennt sich die Regierung zu dieser – hier etwas vage formulierten – Forderung. Sie will bis Mai ein Reformkonzept ausarbeiten, das auch Studienplatzfinanzierung und eventuelle Zugangsbeschränkungen enthalten soll. Mehr Geld, wie es Van der Bellen schon früher forderte, soll es auch geben. Der ganze Text:

Die Bundesregierung bekennt sich zu einer höheren Studienqualität und besseren Betreuungsverhältnissen sowie zu einer gesteigerten sozialen Durchmischung der Studierenden. Daher wird bis Juni 2017 ein Umsetzungskonzept zur Einführung eines Studienplatzfinanzierungsmodells an öffentlichen Universitäten (inklusive Aufnahmeverfahren und Zugangsregeln wo erforderlich) und entsprechender Anpassung des Hochschulbudgets, sowie Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Durchmischung (affirmative action, first academics, berufsbegleitendes Studienangebot, Fördertopf für verbesserten Zugang für Lehrlinge an FHs) und den Ausbau von Studienplätzen in MINT Fächern vorgelegt.

Von Studiengebühren ist hier keine Rede. Aber in diesem Fall zitieren die JUNOS korrekt und haben, was Zugangsbeschränkungen ganz generell angeht, wohl eher einen Verbündeten in Kern. Aber wichtig ist auch hier: Die ÖH an sich kann nicht über Studiengebühren bestimmen.

Die Bundesregierung kann das. Und dafür braucht sie die Parlamentsmehrheit von SPÖ und ÖVP und einen Beschluss im Ministerrat. Insofern ist auch Christian Kern niemand, der das bei entsprechendem Druck alleine entscheiden könnte.

Fazit: Ja, aber.

Angesichts dessen kann man hinterfragen, warum die JUNOS mit den Herren an der Staatsspitze prahlen: Es ist eine Zuspitzung und Provokation, aber kein ernsthaftes Argument. Was Studiengebühren angeht, kann die ÖH lediglich Druck machen und fordern. (Momentan spricht sie sich vor allem gegen Zugangsbeschränkungen aus)

Wie dem auch sei, die Aussage ist trotzdem richtig. Bundeskanzler und Bundespräsident sind – zumindest tendenziell – für Zugangsbeschränkungen. Aber ob das etwas bewegt, wird wohl nicht von den ÖH-Wahlen abhängen.

 

Fotocredit Yannick Shetty (Kleines Bild):