Auf der Facebook-Seite des FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache sorgen Postings immer für große Aufmerksamkeit. So auch die „10 Gedanken zur Bundespräsidentschaftswahl“, die am 2. November um 10:05 Uhr gepostet wurden. Darin bringt er einige Argumente gegen den früheren Chef der Grünen, Alexander Van der Bellen. Punkt 3 hat dabei doch unsere Aufmerksamkeit geweckt. Mit dem Untertitel „Wir lassen uns nicht von einem Altlinken in die schwerste Demokratiekrise der Zweiten Republik führen!“ argumentiert Strache hier Folgendes:

„VDB will die Gesellschaft weiter spalten. Er sagt, als Bundespräsident würde er der FPÖ, wenn sie zur stärksten Kraft gewählt wird, selbst bei einer absoluten Mehrheit keinen Regierungsverhandlungsauftrag erteilen und weder HC Strache noch Norbert Hofer in einer Regierung angeloben. Fällt eigentlich irgendjemandem in diesem undurchsichtigen rot-schwarz-grünen Machtkartell noch auf, wie gefährlich undemokratisch sie alle bereits zu denken begonnen haben? VDB will die Demokratie offensichtlich autoritär außer Kraft setzen! Er ist nicht bereit demokratische Wahlen und Mehrheiten zu akzeptieren! So jemand hat in einer westlichen Demokratie als Präsident keinen Platz! Autoritäre Strukturen haben wir zum Glück überwunden.“

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die FPÖ im Wahlkampf auf das Argument beruft, Alexander Van der Bellen würde Strache nicht als Bundeskanzler angeloben. Und in der Tat ist das nicht falsch: Van der Bellen hat zu Jahresbeginn mit einer solchen Aussage großes Aufsehen erzeugt. Im Laufe des schon lange andauernden Wahlkampfes  allerdings gibt es mehrere Versionen, die es anzusehen gilt:

In einem der ersten Interviews des Wahlkampfs am 13. Jänner mit dem „Kurier“ reagierte Van der Bellen aber schon zurückhaltend:

„Eine Partei, die die Zerstörung der EU im Auge hat, ist in meinen Augen nicht geeignet, den Bundeskanzler zu stellen. Ich rede von der Gegenwart. Was 2018 sein wird, steht auf einem anderen Blatt. Das wird man dann sehr, sehr gut überlegen müssen, wer mit der Regierungsbildung beauftragt wird.“ und „Da würde ich mich nicht festlegen wollen. Wir reden jetzt vom Jahr 2018. Wer weiß, was bis dahin sein wird. Wir haben uns jetzt angewöhnt, bei der FPÖ von einem Hype zu sprechen. Möglicherweise gibt es den 2018 gar nicht mehr“

sagt Van der Bellen da.

In einem anderen Interview im Februar mit der Tageszeitung „Österreich“ meint Van der Bellen jedoch: ” Selbst in dem extremen Fall, den Sie erwähnt haben und den ich für undenkbar halte -die Österreicher sind ein gescheites Volk -, würde ich es trotzdem nicht a priori akzeptieren. Der Präsident könnte in diesem sehr hypothetischen Fall auch scheitern, aber er kann diese Auseinandersetzung auch gewinnen. Er könnte das Parlament auflösen und für Neuwahlen plädieren.” (Quelle: „Die Presse“ und Vienna.at, das besagte Interview ist online leider nicht auffindbar)

Im April wiederum reagiert Van der Bellen auf die wiederholte Nachfrage nach einem „Bundeskanzler Strache“ eher zurückhaltend. Wiederholt weist er darauf hin, dass er einen Wahlsieg der FPÖ für unrealistisch hält. Aber doch hält er fest: „Strache wird mit seinen europapolitischen Positionen von mir keinen Regierungsbildungsauftrag bekommen.“

Das deckt sich mit dem Interview im Jänner. Van der Bellen würde dem FPÖ-Chef also keinen Regierungsbildungsauftrag erteilen – das heißt allerdings nicht, dass die FPÖ nicht in die Regierung kommen könnte. Auch unter der „Wenderegierung“, die 2000 ins Amt kam, stellte die drittplatzierte ÖVP mit Wolfgang Schüssel den Bundeskanzler, die FPÖ war Koalitionspartner. Zuvor hatte Bundespräsident Klestil lange gehadert, eine Koalition mit blauer Regierungsbeteiligung anzugeloben – ähnlich, wie Van der Bellen es jetzt ankündigt.

Straches Aussage allerdings bezieht sich nicht nur auf die Angelobungsabsicht von Van der Bellen, sondern auch auf den hypothetischen Fall einer absoluten Mehrheit der FPÖ. Und in diesem Fall hätte der Bundespräsident gar nicht die Macht, eine blau geführte Regierung zu verhindern, da keine andere Regierung eine Mehrheit im Parlament hätte. Im Fall, dass der Bundespräsident keine mögliche (und von den Parlamentsparteien mitgetragene) Regierungskonstellation zulassen würde, könnte es zu Neuwahlen kommen – die gleichzeitig über das Schicksal des Bundespräsidenten entscheiden würden. Eine Kampfabstimmung also: Strache gegen Van der Bellen.

Dass Van der Bellen Strache nicht angeloben möchte, ist nichts Neues und wahr. Aber dass er die FPÖ im Falle einer absoluten Mehrheit von der Macht fernhalten könnte, ist falsch. Zwar hätte Van der Bellen die Möglichkeit, anzugeloben, wen er will – aber wenn keine parlamentarische Mehrheit ohne die FPÖ möglich wäre, könnte er sie maximal verzögern. Und das scheint er auch zu wissen. Die „Presse“ zitiert Van der Bellen jedenfalls mit:

„Ja Kruzitürken, wenn mir nichts anderes übrig bleibt“.

 

Edit 21.11.: Auf Facebook hat Markus Teufelberger richtig angemerkt, dass der Bundespräsident völlig freie Hand hat, was die Ernennung des Bundeskanzlers angeht. Er muss nicht automatisch den Spitzenkandidaten der stimmenstärksten Partei ernennen, das ist nur “so üblich”. Das hätten wir vielleicht gleich erwähnen sollen. Es gab übrigens schon einen Fall, in dem die drittstärkste Partei den Bundeskanzler stellte: Unter der schwarz-blauen Regierung mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Fotocredit Heinz-Christian Strache (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / Photo Simonis