Wenn es eine Diskussion gibt, die in Österreich immer aktuell ist, dann hat sie auf jeden Fall mit “den Ausländern” zu tun. Spätestens seit 2015 vor allem mit Flüchtlingen. Vor allem nach den sich überschlagenden Ereignissen ab Sommer letzten Jahres sind Zahlenspiele zu Herkunft, Ausbildung, Unterbringung regelmäßig Teil der politischen Diskussion. Eine ist uns dabei aufgefallen – die von Heinz-Christian Strache im Interview mit “Alles Roger?”.

Zwecks Quellenkritik, und weil es vielleicht nicht so bekannt ist: “Alles Roger?” ist ein rechtes Magazin, das der FPÖ zumindest politisch nahestehen dürfte und reißerisch schreibt. Reißerisch as hell. Aus Straches Plädoyer, sich Russland anzunähern, um einen Kalten Krieg zu verhindern, wird dabei der Titel “Es könnte Krieg geben”. Der Titel des Interviews mit dem FPÖ-Parteichef.

Auf die Frage, was Strache denn von der “Obergrenze” von 37.500 Flüchtlingen für 2016 halte, die Anfang des Jahres von der Bundesregierung beschlossen wurde, antwortet der Freiheitliche:

“Das sind Pseudogrenzen, man hat im Herbst diesen Jahres bereits 140.000 Illegale aufgegriffen, 11.000 sind aus Deutschland zurückgeschoben worden und 28.000 Asylanträge wurden eingereicht.”

Das sollte man prüfen.

Und eigentlich gibt es für Asylzahlen sogar eine sehr einfach auffindbare Quelle: Das Bundesministerium für Inneres veröffentlicht monatliche Berichte zum Asylwesen auf seiner Website. Der aktuellste Bericht ist vom Oktober – Strache dürfte sich allerdings maximal auf den September-Bericht gestützt haben, da das Interview Ende Oktober veröffentlicht wurde. Darin liest man recht weit vorne Folgendes:

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Was Asylanträge angeht, hat Strache zuerst mal recht: Bis inklusive Ende September 2016 wurden 34.657 Asylanträge in Österreich gestellt. Allerdings wurden nur 28.298 davon zum Verfahren zugelassen. Wichtig dabei: Jeder hat das Recht, einen Asylantrag zu stellen, ein Grundrecht auf Asyl gibt es aber nicht. Mehr über die damit verknüpften Bedingungen findet ihr hier.

Quelle: Bundesministerium für Inneres

Zusatzerklärung zu den Asylverfahren im BMI-Bericht

Der Teil mit den Asylanträgen stimmt also schon mal. Was die 11.000 aus Deutschland abgeschobenen Menschen angeht, schreiben die Salzburger Nachrichten im August von 10.600 “Zurückgeschickten” – auch das dürfte also gut hinkommen. Das ist übrigens nicht weiter verwunderlich: Die Dublin-Regelungen erlaubt es, sogenannte “Dublin-Fälle” zurückzuschicken – also Menschen, die auf ihrem Weg in das betroffene Land durch andere sichere Staaten gereist sind. Heißt: Deutschland kann Flüchtlinge zurück nach Österreich schicken, weil Österreich auch sicher ist. Österreich wiederum schickt regelmäßig und immer öfter Flüchtlinge zurück – nicht nur in ihre Herkunftsländer, sondern auch in die östlichen und südlichen Nachbarländer.

“(…) man hat im Herbst diesen Jahres bereits 140.000 Illegale aufgegriffen, 11.000 sind aus Deutschland zurückgeschoben worden und 28.000 Asylanträge wurden eingereicht.”

Die letzten beiden Teile stimmen also, der erste ist aber ein bisschen tricky. Die Information mit den 140.000 Illegalen erwähnt Strache 140.000 auch in einem aktuellen Interview mit der “Kronen Zeitung”. Während Asylanträge mittlerweile durchaus nett vom Ministerium aufbereitet werden – was übrigens nicht selbstverständlich ist, bei so viel administrativem Aufwand -, kann man erstmal unmöglich die Grenzübertritte zählen. Das heißt, wie viele illegal ins Land gekommen sind, kann man einfach nicht wissen, sofern es nicht eine lückenlose Dokumentation und Überwachung an den Grenzen gibt. Auch, wenn es Daten dazu gibt, muss man immer eine Dunkelziffer mit einberechnen.

Und Daten dazu gibt es. Eine weitere Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage gibt Aufschluss darüber, dass im ersten Halbjahr 2016 insgesamt 129.882 Illegale aufgegriffen wurden. Im Juli waren es 3840, im August 4003 – insgesamt ist 140.000 also eine durchaus realistische Zahl, sofern man bei gleichbleibenden Trends davon ausgehen kann, dass 2.275 Menschen seit September zur Statistik dazukommen.

(C) Stefan Schett

Warum es im Frühjahr so viele sind, nun aber kontinuierlich wieder wenige? Jänner und Februar sind Ausreißer, da im März die Balkanroute geschlossen wurde. Auch für das letzte Jahr gibt es eine parlamentarische Anfragebeantwortung – 92.354 Illegale wurden im Jahr 2015 aufgegriffen. Damit sind alle drei Werte, die Strache nennt, richtig und teilweise sogar konservativ geschätzt. Insgesamt sind Straches Zahlen also als “Richtig” zu bewerten.

Fotocredit Heinz-Christian Strache (Kleines Bild): Parlamentsdirektion / Photo Simonis